In diesem Beitrag

Finale – der Feldberg in Baden Württemberg und die Zugspitze rufen. Es sind die beiden letzten und höchsten Gipfel meiner Challenge. Die mich quer durch Deutschland mit all seinen Bundesländern führt. Mit dem Rad besuche ich alle höchsten Stellen und schreibe darüber. Dramatisch ist der Abschluss dieser Reise, denn meine angeschlagene Fitness und ein angekündigter Dauerregen sind schlechte Vorzeichen der Tour. Klappt der Anstieg auf Deutschlands höchste Spitze?

Was ist die Challenge?

Klar – die Regeln der 16 Summits Challenge sind bekannt. Aber was ist die eigentliche Herausforderung? Worin liegt der Ursprung, der mir am meisten abverlangt? Sind es die Höhenmeter, die mit dem Rad zu überwinden sind? Die Vorbereitung? Die eigene Stärke, dem Körper etwas abverlangen? Tatsächlich sind all diese Aspekte nur Bruchteile, die vielleicht insgesamt die Challenge darstellen. Vor allem muss ich bei dieser Tour aber lernen, dass die Herausforderung für mich persönlich darin liegt, dass man überhaupt die Zeit finden muss. Die Tour planen, Sachen packen und alle Touren um den vollgepackten Kalender drum herum zu verteilen. Was keinen Raum für Puffer lässt. Ist man krank, dann gibt es keinen zweiten Versuch dieses Jahr. Kurz vor der Abreise nach Freiberg im Breisgau machen Frau und Kinder eine Sommer-Grippewelle, bin ich kurz vor der Abfahrt als nächster dran?

Mit ungewissem Ausgang, was mich diesmal erwartet, steige ich am Hamburger Hbf in den IC. Der direkt bis Freiberg durchfährt und Platz für mich und mein Fahrrad hat. Unbehaglich versuche ich permanent Anzeichen einer Krankheit auszumachen, überempfindlich – aber man kann den Kopf auch nicht ausschalten. Es nützt nichts. Ich versuche mit dem Worst-Case zu rechnen. Denn die Tour über Freiberg, den Feldberg über den Bodensee bis zur Zugspitze ist lang. Vier Tage und drei Nächte habe ich eingeplant. Einen Tag davon besuche ich die Eurobike. Es ist Anfang September und der Sommer läuft langsam aus.

In Freiberg angekommen springe ich sofort aufs Rad und fahre los. Um den Kopf frei zu kriegen. Dabei lasse ich die schönsten alten Bauten hinter mir. Massive Kirchen, alte Gebäude aus Stein und Häuser mit Fachwerk. Freiberg ist eine Schönheit für sich. Ein gut gemachter Radweg führt mich aber so schnell aus der Stadt, dass ich gar nicht gucken kann. Es geht an einem Fluss entlang konstant höher, in Richtung seines Ursprungs. Dörfer, große Weiden und Acker blühen noch an diesem Spätsommertag. Die Sonne scheint, blauer Himmel und an den zugänglichen Stellen springen die Leute ins Wasser und genießen den Sonnenstrahlen. Während ich mich Meter für Meter voran und hinauf arbeite.

Noch ein Dorf, dann laut Navi links und aus der Hauptstraße wird eine Seitenstraße, ein Weg und schon bin ich im Wald. Mit diesem Szenenwechsel explodiert auch die Steigung. Was bisher ein müßiger Anstieg am Bach war wird jetzt eine ernsthafte Bergetappe. Ich fühle mich bei weitem nicht bei vollen Kräften. Mein Kopf und Gedanken rechnen mit einem Grippe-Ausbruch mit Fieber, aber ich muss optimistisch bleiben. Denn zwischen einem schlechten Tag und diesem Worst-Case liegt noch viel Luft. Weitermachen, und schauen was kommt.

Einer der schönsten Radwege, die ich bisher in ganz Deutschland befahren habe, führt über den anvisierten Pass. Welcher mich über einen Umweg auf den Feldberg bringt. Es ist auch einer der frequentiertesten Radwege, ich treffe viele Radfahrer die sowohl hoch als auch runter fahren. Die meiste Zeit geht es im Schatten der Nadelbäume hoch, selten kommt die Sonne durch. Radfernfahrer und e-Biker grüßen, es ist die perfekte Zeit des Jahres für eine solche Tour. Wären da nicht die schlechten Wetterberichte für die kommenden Tage.

Mühsam kämpfe ich mich den Feldberg hoch. Dieser Anstieg kostet deutlich mehr Kraft als sonst. Offensichtlich werden Reserven auch für andere Kämpfe zurückgehalten, die mein Körper auf anderer Ebene führt. Fieber bekomme ich nicht, aber fit bin ich auch nicht. An einer Alm, nahe dem Pass und dem Feldberg, mache ich kurz Pause und genieße ein alkoholfreies Weizen. Von hier aus geht nur noch ein Wanderweg weiter, mit dem Rad wird es etwas abenteuerlich weiterzufahren.

Die phänomenale Sicht vom Feldberg erstreckt sich in alle Richtungen. Der Schwarzwald liegt mir jetzt zu Füßen. Ich mache Fotos, erhole mich kurz und beobachte. Ein Radfahrer stellt sein Rad neben meins. Ein Blick auf sein Hinterrad verrät einiges, denn dieses hat keine Schaltung. Per Singlespeed ist der Gute von Pforzheim in die Schweiz unterwegs. Die minimalistische Ausrüstung (Biwak und geplante Übernachtungen in entsprechenden Schutzhütten) sind bemerkenswert. Meine Reise geht aber über Schutzhütten, die ich für Übernachtungen bezahle und die mir eine Dusche bieten (sog. Hotels).

Ohne einen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen bin ich meinem Ziel näher gekommen. Der Feldberg ist voll erschlossen, man kann zwar nicht bis zur Spitze mit dem Auto hoch fahren, aber die asphaltierten Wege sorgen für gute Abfahrten. Es geht entsprechend schnell über Touristenfallen, dann Bundesstraßen und wieder durch Waldwege immer weiter bergab. Bis ich am Schluchsee angekommen bin, dem Tal und Ziel der heutigen Etappe. Der Sonnenuntergang lädt ein um einige der schönsten Fotos dieser Tour zu machen, was ich aber erst später in Lightroom sehe. Meine müden Beine wollen mich am Abend kaum noch raus tragen. Zum Glück mache ich mir dann doch die Mühe. Denn diese Momente einzufangen, das ist eigentlich der schönste Teil der Tour.

Tag 2 – Weiterfahren oder zurück zum Start

Dankbar über die gute Nachtruhe und die Möglichkeit sich zu erholen wache ich auf. Doch bei vollen Kräften bin ich noch lange nicht, es ist eher noch ein Tiefpunkt. Aber man sollte den Tag nicht abschreiben, bevor er begonnen hat. Also erst Mal runter zum Frühstück, Duschen und fertig machen. Sobald man wach ist sieht die Welt bestimmt besser aus.

Als ich mein Rad aus dem Schuppen (einer netten Möglichkeit des Hotels mein Rad sicher unterzubringen) schiebe mache ich eine Inventur. Der Körper meldet zurück, dass die geplanten 140km zum Bodensee keine gute Idee sind. Ich rede mir ein, dass der negative Höhenunterschied das ausgleicht. Mehr Bergab als Bergauf. Ich plane aber eine Abkürzung in Gedanken ein, nämlich mit der Bahn zum nächsten Ziel. Ein Airbnb Appartement in einer Bar mit Livemusik, wobei mein Raum wohl Schallisoliert sein soll. Vom Schluchsee tauche ich wieder in den Schwarzwald ein.

Gravel Kingdom Schwarzwald

Die Luft ist noch eiskalt am Morgen, weshalb ich meine Regenjacke und warmen Sachen übergezogen habe. Im Wald hat sich der Frühnebel und Morgentau noch nicht verzogen. Ich atme die Atmosphäre ein und bin plötzlich Teil des Waldes, der noch voller Ruhe an diesem Sommermorgen vor mir liegt. Zwei Pässe geht es hoch, dazwischen alte Jagdhütten und Waldschänken, die bestimmt einige Geschichten zu erzählen haben. Über all die schönen Eindrücke vergesse ich ganz meine gesundheitlichen Beschwerden.

Als mich der Wald wieder ausspuckt glänzen meine Augen voller Begeisterung für diese Region. Die perfekten geschotterten Waldwege sind genau das wofür mein Rad und ich gemacht sind. Irgendwann muss ich eine große Tour quer durch diese Region machen. Mit diesem Vorsatz vergeht der Vormittag und gegen Mittag schon liegen nur noch einige Voralpen-Dörfer zwischen mir und dem Bodensee. Ein leichter Regen setzt ein und wird immer stärker.

Am Bodensee angekommen streckt sich der Weg noch 40km weiter. Die letzten Km werden immer schwerer, da auch der Regen immer stärker wird. Zwar habe ich kein schlechtes Gefühl mehr krank zu werden, aber nach zwei Stunden durch die Nässe ist die Motivation auch am Boden. Ich will nur noch ankommen, mich trocknen und ausruhen. Als ich am Bodensee-Radweg angekommen bin hatte ich mich schon gefreut. Doch habe ich die Größe weit unterschätzt, im Schneckentempo kämpfte ich mich durch das Wetter und die schöne Landschaft. Die ich leider so wenig schätzen kann. Und erreiche am frühen Abend mein Airbnb-Appartement.

Rock ’n EuroBike

Der dritte Tag ist als Ruhetag mit Besuch der Eurobike 2019 geplant. Meine Unterkunft liegt in Rad-Reichweite des Messegeländes. Jedoch verfügt das Zimmer auch direkten Anschluss an eine Kneipe mit Live-Musik. Der Impro-Abend, bei dem viele lokale Musiker in zufälliger Besetzung auf die Bühne kommen und zusammen spielen, ist echt empfehlenswert. Live Musik in einer Bar ist heute zu selten geworden. Als ich später versuche zu schlafen kommen die Bässe aber trotzdem durch die Wände, auch wenn es noch relativ gut abgeschirmt ist. Verschlafen setze ich mich am nächsten Morgen aufs Rad um zur Eurobike zu pendeln.

Mit quietschender Kette parke ich mein Rad bei der Messe. Leider hat der Regen die Kette ordentlich mitgenommen, natürlich habe ich für so eine kurze Tour kein Kettenöl dabei. Aber vielleicht gibt es ja an einem Stand zufällig das richtige Werbegeschenk. Es gibt wie jedes Jahr viel zu sehen, doch so richtig warm werde ich nicht mit der diesjährigen Ausstellung. Alleine streife ich um die Stände, bekomme viele Eindrücke wo die Märkte sich hin entwickeln (hint: e-Bikes). Aber auf den Blogger-Space komme ich dieses Jahr nicht, da ich nicht als Blogger akkreditiert bin. Damit bleibt mir leider auch diese Möglichkeit verwehrt, obwohl ich Mitglied im Wriders-Club bin. Aber auf meinem Schildchen steht leider in dem Fall nicht ‚Blogger‘.

Mein Fazit der Eurobike 2019 bleibt, dass mich leider nichts vom Hocker gehauen hat. Der Eindruck bleibt aber auch etwas getrübt, wenn man alleine unterwegs ist und sich mit niemandem austauschen kann. Als der Tag vorbei ist muss ich mir aber ernsthafte Gedanken machen: wie geht die Tour weiter?

Ein Tag mit knapp 140km und wieder 2.000hm steht auf dem Programm. Danach der Abschluss-Tag mit 2.000hm hoch zur Zugspitze als Wanderung. Doch es ist wieder Regen angekündigt, für den letzten Tag sogar Unwetterwarnungen in der Wetter-App des DWD. Meine angeschlagene Fitness und die dringende Empfehlung, eine so anspruchsvolle Wanderung nicht bei schwerem Wetter zu machen, wiegen schwer. Meine Verabredung zum Gipfel hat aufgrund des Wetters nämlich abgesagt, und alleine macht das so auch keinen Sinn etwas zu riskieren. Es wird also auf eine Alternativroute hinauslaufen. Die jedoch so schön wird, dass ich im Nachhinein sogar froh über diese Entwicklung sein werde.

Ab durchs Allgäu

Auf Komoot habe ich schnell eine Route zusammengestellt die einige Häkchen setzt: a) ein Gipfel als Tagesherausforderung, b) schöne Landschaften und c) als Ziel eine Verbindung per RegioExpress nach München.

Ich fahre den Bogen am Bodensee zuende bis ich in Österreich angekommen bin. Ab da geht es wieder hoch von 400hm auf knapp 1.000hm. Während leichter Nieselregen wieder alles durchnässt. Doch ich bin so entspannt wie lange nicht, da ich mich mit dem alternativen Reiseverlauf abgefunden habe. Der deutlich weniger Challenge ist. Es bleibt zum ersten Mal sogar wirklich Zeit um stehen zu bleiben und Fotos zu machen. Etwas, was bisher bei jeder Tour etwas zu kurz gekommen ist.

Am Tageshöhepunkt angekommen erschließt sich mir der Bodensee in all seiner Größe. Der Regen ist oben auf der Alm fürs erste vergangen. Und ich stehe über den Regenwolken, die den Fernblick stören. Aber gleichzeitig für viel Atmosphäre sorgen.

Aussicht auf den Bodensee bei Regen

Auch das Allgäu ist ein perfektes Radtouren-Ziel. Es sind eher Bundesstraßen als Radwege, die die Orte verbinden, aber die Aussicht ist immer wieder Beispiellos. Grüne Felder soweit das Auge reicht und im Hintergrund das Bergpanorama. Dabei hört man Kuhglocken und das süddeutsche Klischeebild ist perfekt abgerundet.

Mission Failed

Stimmt nicht. Denn obwohl ich die Zugspitze vertagen muss, so ist an diesem Tag die Tour noch nicht zu Ende. Zu diesem Zeitpunkt bin ich in Gedanken zwar noch offen, dass ich zumindest eine Wanderung für dieses Jahr nachholen könnte. Doch als ich diese Zeilen schreibe weiß ich, dass es sich nicht mehr ergeben wird. Aber was war die Challenge noch Mal genau und was das Ziel? Der bestmögliche Output?

Zufriedener könnte ich eigentlich nicht auf die Touren zurückblicken. Es war eine Herausforderung alle Unterfangen in einen vollen Kalender zu packen, doch habe ich exakt das erreicht was ich wollte. Ich war draußen und habe Abenteuer erlebt. Die hoffentlich erst der Anfang sind für weit größere Touren. Nur die Zugspitze blieb mir bisher verwehrt. Was aber wiederum Motivation ist wiederzukommen.

Auch fehlt noch der Beitrag zum Brocken und Wurmberg, um auch tatsächlich über alle Touren berichtet zu haben. Denn obwohl in diesem Beitrag schon die Challenge zu Ende geht, so bleibt noch ein kleines Puzzlestück offen. Aber darüber dann im nächsten Post.