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Morgennebel. Eiskalter Start. Mittagshitze und wieder bei Nachtruhe fröstelnd einkehren. Einen Tag von Morgens bis Abends im September ging es durch Schleswig-Holstein. Willkommen zu einem kurzen Rennbericht aus dem Norden.

Die Sonne geht auf, während ich mein Rad vom Heckträger am Auto hole. Kleine Tasche vorne am Lenker, Oberrohrtasche und Foodpouch. Ich reise heute leicht, denn es stehen knapp 280km auf dem Programm. Über relativ einfache Trails und Schotterpisten. Verbunden über normale Fahrradwege. An diesem Spätsommertag wird das Wetter noch etwas abenteuerlich, zwar sonnig aber die Extreme liegen dann doch weit auseinander.

Doch die Strecke und Länge selbst werden nicht das Problem. Material, Pech und Pannen bestimmen wieder den Tag. Ich verliere unterwegs nicht nur einen relevanten Teil meines Equipment, nein ich habe sogar wesentliche Teile davon Zuhause vergessen.

Die 42mm Reifen mit leichtem Stollenprofil stehen jetzt auf dem Asphalt. Als ich die leeren Flaschenhalter erblicke. Ein panischer Blick in den Kofferraum, Rückbank… Nein, die Flaschen stehen tatsächlich noch im Gang. Voll mit Wasser. Als ich nochmal kurz umgekehrt bin um etwas zu holen, hab ich die Bidons einfach stehen lassen. Also ist die erste Mission an diesem Spätsommersonntag Wasser aufzutreiben. Mein Wahoo GPS Computer gibt den Startschuss mit einem PIEP und mein Track läuft. Noch.

Magischer Morgen

Ich rolle nach Lübeck noch bevor die Sonne wirklich zu sehen ist. Der Orbit Track von Komoot derigiert mich einmal auf Sightseeing Tour durch die kleine Hansestadt. Eilig will ich weiter, mein Ziel ist es unter 14 Std fertig zu sein. Das wäre dann knapp 22 Uhr. Die Wege durch die Stadt sind bekannt, hier bin ich fast schon Zuhause. Es geht an Kneipen vorbei, aus denen gerade späte Gäste den Heimweg antreten. Mein Tag fängt jetzt erst an. Doch wirklich schnell komm ich nicht voran. Die Farben und Orte laden immer wieder für ein Foto ein.

Beim Bearbeiten des letzten Fotos merke ich, wie man den Kran einfach ausschneiden kann. Um ein Bild von Lübeck zu erhalten, wie man es sich auf Sepia Fotopapier vorstellen könnte. Von anno 1789.

Diese und weitere Fotos werden aber die letzten sein, die ich an diesem Tag noch machen kann. Aber irgendwie ist der Morgen doch magisch, da hier und da noch Nebel herumgeistert und die Morgensonne die Stadt in goldenes Licht taucht. Der Trail führt aber auch schnell raus aus der Stadt. Über Wurzeln und kleine Mountainbike-Trails gehts weiter. Das sollen aber vorerst die einzigen technischen Passagen des Orbit360 Tracks bleiben.

Im Kopf geistert noch ein Satz herum, den ich auf Instagram aufgeschnappt habe. Dort hatte eine jüngere Instagrammerinn den Schleswig-Holstein Track als langweilig bezeichnet. Ihre Oma könnte den Track fahren. Diese Fahrtechnik-starke Mountainbike-Oma bleibt ein visuell starkes Bild in meinem Kopf. Meine Erwartungshaltung hat die Aussage dann aber doch beeinflusst, nachdem ich den Hamburger Orbit als durchaus anspruchsvoll wahrgenommen habe. Vor allem auch technisch. Wenn nicht jeder Kilometer, so aber die ganz speziellen Passagen. Wird der Track in Schleswig vielleicht wirklich öde?

Nicht die große Menge der zurückgelegten Kilometer sind im Anteil technisch anspruchsvoll. Ja, zuweilen sind die Verbindungsstücke auch etwas langweilig. Weil man dann vor Bad Segeberg auch gefühlte 40km neben einer Bundesstraße auf einem ollen Radweg fährt. Während die Sonntagsausflügler im Auto die Straße rauf und runter dröhnen.

Aber hier und da geht es dann doch Mal anspruchsvoll durch den Wald. Hier ein kniehoher Drop, dort Mal ein paar Stufen hoch. Viele Passagen über Pflastersteine und zugewachsene Wege, die scheinbar in Vergessenheit geraten sind. Da ich in Lübeck gestartet bin wartet aber das beste zum Schluss. So auch die Pannen.

Die erste Panne lässt nicht lange auf sich warten. Etwa gegen Mittag, als der Track von Richtung Süd wieder nach Nord abbiegen will ist mein Navi plötzlich aus. Sofort anhalten und Gerät neu starten, war der Akku leer? Nein, eigentlich nicht. Hoffentlich klappt es den Track wiederherzustellen. Sieht auf den ersten Blick gut aus und ich fahre einfach weiter. Etwa 60km später meldet sich das Navi wieder. Nun steht da plötzlich: Update wird geladen. Aus heiterem Himmel will der Elemnt Bolt nun plötzlich ein Update installieren? Ich war mir relativ sicher, dass die letzten 60km seit dem Absturz etwas nicht stimmte, aber so richtig Zeit genommen hab ich mir nicht. Um mal genauer hinzusehen. Und sobald der Track gerissen ist, ist es mit der Wertung auf Komoot sowieso vorbei. Nun ist das Thema Rennen auf jeden Fall gegessen.

Die Wälder im späten Sommer sind prall grün und das Licht bricht durchs Geäst.

Noch problematischer wird die Wasserversorgung. Die erste Möglichkeit für Wasser ist ein Drive-In Bäcker. Ja, genau. Dort gibt es aber nur kleine 0,5l Flaschen. Ich nehme zwei und packe diese in die Flaschenhalter. Wenige Kilometer später ist eine Flasche schon weg, weil diese einfach durch die Halter rutscht. Super. Später das gleiche Problem, dann geht eine Apfelsaftschorle ihren eigenen Weg. Und dann noch Mal die letzte Wasserflasche. Ich kann auf den teils hoppeligen Wegen einfach nicht permanent die Augen auf den Flaschen behalten. Bis ich erst bei 2/3 der Strecke an einer Tanke größere Flaschen bekomme.

Zwischendurch geht auch noch meine Werkzeugtasche verloren. Und ein Ast reisst mir ein riesen Loch in den Merino-Pulli. Das Material aus Wolle ist einfach nicht so stabil, wenn aber wärmer und besser beim Schwitzen (trocknet schnell, nimmt viel Wasser auf). Nun ist mein Verschleiß bei dieser Tour aber schon Mal weit überdurchschnittlich. Wie kann es da noch weitergehen? Nicht viel besser.

Bis zum Bungsberg (höchste Punkt des Nordens mit 168m üNN) mache ich nur zwei sehr kurze Stopps. Einmal das mitgebrachte Essen auspacken und einmal an einer Tanke. Auf dem „Gipfel“ dann noch ein Müsliriegel, ich halte mich konstant mit ca 1,5 „Essensrationen“ (Riegel, selbstgemachte Eiermuffins, etc.) pro Stunde über Wasser. Der Energiespiegel bleibt tatsächlich die ersten 8-10 Std hoch, ich habe selten so konstant Energie nachschieben können. Bis der Track wieder an der Ostseeküste ankommt ist auch noch viel Sonne, aber so langsam neigt diese sich dem Tagesende zu. Genauso meine Energiespeicher. Also brauch ich bald auch Licht – oje, fehlt da etwas? Ja.

Es wird dunkel und der Track verwischt zwischen Wald, Trails und Aussichten auf die Ostsee.

Leider ist mein Hauptlicht nicht am Rad, auch das kommt auf die lange „Vergessen“-Liste. Bleibt nur mein Notfall-Licht, die Stirnlampe. Über Timmendorfer Strand und Travemünde geht der Track zu Ende. Ich kenne die Strecke von hier nach Lübeck eigentlich auswendig, und weiß wie kurz der Weg jetzt ist. Aber irgendwas stimmt hier nicht, plötzlich macht der Weg einen Schlenker. Und noch Mal locker 20km durch Büsche und Wald. Dabei erst noch wenig Licht, die letzten zwei Km ganz ohne Licht. Im vollen Panik-Modus, hauptsache zum Schluss kommen. Ich komme mir maximal blöd vor, fahre die letzten Schleifen durch kleine Wälder, wieder ans Wasser, dann wieder eine kleine Tangente durch den Wald. Bis ich völlig erschöpft und erleichtert am Parkplatz stehe. Was für ein wilder Ritt.