Hamburger scheinen eine natürliche Verbundenheit zur (halb-?)Insel Sylt zu haben. Als radfahrender Hamburger liegt die Verbindung doppelt nah. Denn diese Entfernung liegt im Radtour-Radius. Und so besuche ich meine erste Insel 2020. Obendrauf die gesamte Entfernung an einem Tag. Warum erfahrt ihr hier, und wie man sich auf eine Regentour vorbereitet.
Plan for Chaos
Everybody has a plan until they get punched in the face.
Mike Tyson
Ein Double-Overnighter sollte es werden. Eine Nacht auf halben Weg, den Rest Tag drauf. Jeden Tag 120km und man kommt bequem von Hamburg nach Sylt. Pläne sind aber nur so gut, bis sie auf die Realität treffen. Beispiel Wetter. Wer hätte denn auch mit Regen gerechnet. Und so muss ich meinen Double-Overnighter mit Zelt auf einen Standard Overnighter kürzen. Im Hotel. Denn obendrauf sind 3-5° angekündigt und dazu kann ich mich gar nicht aufraffen. Und umgekehrt wird es auch eine Challenge: die Strecke an einem Tag, etwas über 200km – wenn man sich den Weg aus der Stadt spart und per Bahn abkürzt. Gesagt getan.
Gewohnt bequem geht es um 06 Uhr morgens zum Hamburg Hbf und weiter bis Glückstadt. Die Sonne scheint und das Wetter ist doppelt auf meiner Seite. Auch der Wind hat sich verbündet und kommt aus Süd-West, mein Ziel ist im Norden. Bedeutet Rückenwind oder maximal Seitenwind und so verfliegen die ersten 100km wie im Flug. Deiche, Felder, Schafe und die Halligen tauchen auf. Hab ich Schafe gesagt? Halligen? Der Reihe nach…
This Shit is Real
Schafe sind am Deich so normal, dass ich Zuhause nur knapp fünf Minuten brauche (so weit weg ist der nächste Deich, und das in einem Stadtteil im Bezirk Hamburg Mitte) um welche zu sehen. Und mit Schafen kommt Schafkacke. Mein Weg nach Sylt ist mit kleinen Häufchen geebnet. Zeitweise so dicht, dass ein Ausweichen gar nicht denkbar ist. Regen vom Vortag quellt alles auf und ich spare weitere Details. Mein Vorderrad rollt und rollt und ich denk gar nicht dran, was es so hochwerfen kann. Augen zu und durch.
Wenn es nur so schnell ginge… daran ist aber gar nicht zu denken. Denn das nächste Hindernis steht auch bereit. Alle Schafherden werden nämlich durch Zäune getrennt und wir Menschen dürfen uns mit den Gatterl herumärgern. Also anhalten, Gatterl auf. Gatterl zu. 500m weiter. Gatterl auf. Gatterl zu.
Also vermeide ich die Wege direkt am Deich soweit es geht. Und irgendwann kommen auch endlich die Felder, statt Schafherden. Und nach den Feldern lande ich wieder am Deich. Doch diesmal sehe ich auch schon die Halligen. Die kleinen Marschinseln die bei Sturmfluten auch mal unter Wasser stehen. Schön zu sehen sind sie aber, denn hier und da steht plötzlich einfach ein kleines Haus am Horizont scheinbar im Wasser.
Die Inseln in Sicht
Nordfrisische Inseln standen auf meinem Plan für 2020, doch Pläne in diesem Jahr kann man sowieso vergessen. Also freue ich mich, dass wenigstens eine von geplanten 20 Inseln besuchbar sind. Und so rolle ich vorbei, an bekannten Orten. Geplant war auch die Übernachtung an einem Campingwagen-Parkplatz. Mit Rückenwind bin ich so früh dran, dass ich schnell am planmäßig zweiten Tag aufschließen kann. Denn in Husum mache ich eine kurze Mittagspause, die auch nach Plan hier gewesen wäre. Und nach Fish&Chips gehts schnell weiter. Richtung Niebüll, denn exakt bis auf Sylt kommt man so gar nicht.
Die Halbinsel ist über einen Weg zu Fuß oder mit Rad gar nicht erreichbar. Nur ein Übergang über Gleise mit der Bahn ist möglich. Man sieht zwar einen Weg entlang der Bahntrasse, aber dieser ist für Personen gesperrt. Folgt man der Idee zu Google und sucht „Zu Fuß nach Sylt“ so findet man verschiedene Berichte. Beispielsweise von irritierten französischen Familien, die diesen Übergang zu Fuß versucht haben. Und eine Vollsperrung der Zugverbindung und einen Polizeieinsatz verursacht hatten. Nein, dann doch lieber in die Bahn steigen.
Und so komme ich ganz ohne weitere Abenteuer über Deiche und Naturschutzgebiete und viele Windräder nach Niebüll. Spannend sind hier die untypischen Zweitbezeichnungen der Orte in Platt. Naibel steht in kleinen Lettern zusätzlich auf dem Ortsschild. Was sehr sympathisch wirkt, für einen Fremden wie mich.
Kaum in Westerland auf Sylt angekommen kann ich im Hotel einchecken und den Rest des Tages und Tag drauf nutzen um die schönsten Seiten zu erkunden.