In diesem Beitrag

Content dominiert unsere Generation. Konsumieren alleine war gestern. Heute produziert jeder von uns Bilder, Videos und Stories. Auf Youtube findet man sie alle, die Gravelbike-VloggerInn (kleiner Tipp geht raus an MTB Travellerin), den Onkel beim Radfahren () oder all die schönen GCN Formate. Immer dabei: eine Kamera. Doch wie soll man nur ein minimalistisch leichtes Setup am Rad haben und Bilder mit Bokeh und Schärfentiefe schießen? Smartphones alleine reissen es am Ende auch nicht. Und so sieht man sie, die Radfahrer mit Kamera auf dem Rücken und sogar Objektiven herumschleppen. Doch muss das so sein?

Mein Glücksgriff war vor vielen vielen Jahren eine Olympus PEN Kamera mit Micro 43 / MFT / M43 / Mircro Four Thirds System (ich bleib mal beim „MFT“). Als ich mir die erste „richtige“ Kamera noch als Student gekauft hatte. Und noch heute würde ich meine Panasonic G9 MFT Kamera einer Canon, Nikon und Sony Vollformatkamera vorziehen. Warum? Eine kleine Sachkunde und Bekenntnis zur Großen Liebe der kleinen MFT-Format Kameras.

Auch Vollformat ist nur ein reduziertes format

Häufig klingt „Vollformat“ nach dem heiligen Gral. Dem vollen Ding. Das absolute Maximum. Unerreicht? Nein. Es könnte so gar nicht weiter von der Realität sein. Das heute bekannte Vollformat ist auch nur ein Kompromiss. Aus „wie groß kann ein Objektiv sein und man kann es noch transportieren“ und „ich brauch mehr Licht“.

Desto mehr Licht pro Zeit auf den Film und Sensor fällt, desto besser. Weil man die Verschlusszeit (ganz generell) kurz halten möchte um scharfe Fotos zu haben. Also kann ich folgendes tun:

  • Belichtungszeit verlängern (Verschlusszeit steuern)
  • Lichtmenge erhöhen (Blende öffnen)
  • ISO anpassen: Vergleichbar mit der Lichtempfindlichkeit eins Films/Sensors (wenn auch nicht ganz technisch richtig, aber das soll hier so ausreichend sein)

Das entspricht den ganz generellen Einstellungen einer jeden „richtigen“ Kamera. Aber noch bevor es auf diese drei wesentlichen Eigenschaften ankommt ist etwas Entscheidendes nicht beleuchtet worden. Ich kann die Kamera „vergrößern“. Also ein größeres Format wählen.

Die Bauart der Kamera und Objektive schafft den eigentlichen Rahmen für die drei genannten Eckpfeiler der Fotografie. Es bleibt mir in erster Linie überlassen welches Format ich wähle. Desto größer der Sensor desto mehr Licht kann dieser pro Zeit einfangen. Jedoch wächst die Größe des benötigten Objektivs damit nicht linear, die Objektive erreichen schnell unpraktische Maße. Jeder kennt die Tele-Objektive der Profifußball-Fotografen die an der Bande stehen. Würdet ihr damit im Gepäck eine Wanderung antreten?

Historisch war das heutige „Vollformat“ mit 36x24mm unter den Filmen eigentlich das „Kleinformat“. Verglichen mit Medium, Large (102x127mm) und anderen noch größeren Formaten, siehe englische Wikipedia Seite zu SLR. Es galt als Klein. Eben weil Kameras mit Filmen dieser Größe portabel und mobil waren. Anders als die stativgebundenen Monster in den Ateliers und Studios der Fotografen des letzten Jahrhunderts. So betrachtet ist das heutige Vollformat das MFT-Format der letzten Dekaden. Nichts anderes macht das MFT Format nämlich heute.

Das in den 2000er Jahren ins leben gerufene „offene“ Format (welches Herstellerungebunden ist) „Micro Four Thirds“ sollte ein wesentliches Problem der Spiegelreflexkameras beseitigen. Das hohe Gewicht, die Klobigkeit der Kameras und deren unpraktisches Dasein für Amateur-Fotografen. Und in genau diesem Segment ist MFT bis heute noch erfolgreich. Doch meiner Meinung noch immer weit unter Wert verkauft. Denn kommen wir mal zum Punkt: die Qualität der Bilder hängt nicht (also wirklich g a r n i c h t) mit der Größe zusammen. Die Sensorgröße ist ein zu vernachlässigender Parameter.

Was macht ein gutes Foto aus?

Meiner persönlichen Meinung nach sind folgende Punkte der Wichtigkeit nach sortiert.

  • Inhalt: Was ist die Geschichte hinter dem Bild? Was sehe ich?
  • Komposition: Was ist im Bild zu sehen? Was nicht?
  • Einstellungen: Richtig belichtet? Rauschen reduziert?
  • Technik: Habe ich ein Stativ? Verwende ich IBIS (Stabilisierungssysteme im Body und Objektiv) und sonstige Hilfsmittel, zB. einen Blitz?
  • Objektiv: Wie bricht das Licht im Glas, gibt es Unschärfen, wie gut ist das Glas verarbeitet, hat es Makel (Kratzer)?
  • Processing/Verarbeitung: Sowohl die Interpretation der analogen Daten auf dem Sensor zur Verarbeitung auf dem Prozessor als auch die Nachbearbeitung in der Software manuell?
  • Technologie: Was für eine Kamera verwende ich, was für eine Auflösung erreiche ich? Wie gut ist der Sensor und die internen Algorithmen um ein digitales Artefakt (das Foto) zu erstellen?

Die Sensorgröße ist hier gar nicht explizit genannt, weil sie nur ein Unterpunkt der Technologie darstellt. Und das ist der primäre Grund, warum mich das Vollformat nicht reizt. Es ist einfach kein wichtiger Parameter in der Gleichung.

Größe macht nicht Glücklich

Panasonic Lumix G9 – MFT Sensor – 1/3200sec f / 2,8 – 66mm LUMIX G VARIO 35-100 F2.8

Tatsächlich ist die Fotoqualität nicht größengebunden. Smartphone Fotos können heute auf Leinwände gedruckt werden die man auf Gebäude spannt. Werbeplakate des iPhones beweisen es jedes Jahr, wenn das neueste Gerät auf den Markt gebracht wird. Wie groß der Sensor ist? Stecknadelkopfgroß.

Und doch ist die Größe ein limitierender Faktor in der Qualität. Ich muss es dann doch zugeben. Ganz klein wenig zumindest. Es gibt einfach ein Limit was noch wirtschaftlich ist und was nicht. Dazu wieder ein kleiner Ausflug in die Technik hinter der Kamera.

Dazwischen liegen Welten – eine Nikon Z7 mit 70-200 F2.8 vs Olympus EM-1 35-100 F2.8 (entspricht 70-200);
Nicht nur das Objektiv ist deutlich kleiner, auch der Body ist handlicher. Der kleine Sensor kann gleichzeitig besser stabilisiert werden (MFT Kameras waren Vorreiter in der IBIS Technologie).
Quelle: https://camerasize.com/

Die aktuelle Generation (im Jahr 2020) der Flagships unter den MFT-Kameras von Olympus und Panasonic hat eine Auflösung von knapp 20 Megapixel. Im Vollformat sind wir bei 20, 24 oder teilweise 40 MP unterwegs (die aber nicht immer gewünscht sind und irgendwann eine Last werden; aber das beleuchten andere Fototechnik-Blogger und Vlogger noch besser und detaillierter). Es ist aber abzusehen, dass MFT mit 20MP so ziemlich die absolute Grenze erreicht hat die noch wirtschaftlich ist. Da ist praktisch keine Luft mehr nach Oben.

Denn die Objektive der MFT Kameras sind sehr klein. Bedeutet umgekehrt aber auch, dass der Aufwand ein perfektes Stück Glas zu produzieren deutlich höher ist. Während ein größeres Objektiv für Vollformat kleine Unvollkommenheiten und Makel haben darf, die auf dem größeren Sensor zwischen den Sensor-„Licht-Tastern“ untergehen (die Pixel für Pixel die analoge in die digitale Welt übersetzen), sind diese auf dem MFT Sensor deutlich zu sehen. Grund ist:

  • MFT Sensoren sind kleiner in der Oberfläche und müssen pro Quadratmillimeter mehr Sensoren-Messstellen unterbringen als ein Vollformatssensor; diese hohe Dichte ist komplexer in der Sensor-Herstellung und physikalisch limitiert.
  • Diese hohe Dichte löst Makel im Objektiv schneller auf; Nimmt man ein perfektes und teures Canon EF-Mount (Bajonett) Objektiv für Vollformat mit Adapter auf MFT, dann kommen plötzlich Sensorflecken auf die Bilder die mit der Vollformatkamera gar nicht sichtbar waren. Auch deshalb sind Adapter für Vollformat-Objektive auf MFT Objektive keine gute Idee.

Wir sind also in dieser Hinsicht physikalisch und wirtschaftlich limitiert. Auch deshalb sind übrigens die kleineren Objektive für MFT Kameras gar nicht so günstig. Denn sie müssen einen noch viel höheren Perfektionsgrad erreichen, da sie quasi „strenger“ vom Sensor begutachtet werden. Doch sind 20MP wirklich ein Limit?

Nein. Ich denke nicht. Das Gegenteil wird tagtäglich bewiesen und überall diskutiert und breit getreten. Megapixel sind nicht wichtig. Und 20 davon erreichen eine ausgezeichnete Auflösung.

Schwächen des MFT

Panasonic Lumix G9 – MFT Sensor – 1/4000sec f / 5,6 – 38mm LUMIX G VARIO 35-100 F2.8

Für wen ist das MFT Format nun geeignet und was sind kurz gesagt die Schwachpunkte die man kennen muss. Bevor man sich auf dieses Format für Jahre festlegt, wenn man fürs eigene Haushaltsbuch keine roten Zahlen schreiben will (wenn man doch das System gänzlich wechselt) und mit dem Geldeinsatz den besten Ertrag herausholen möchte.

  • Bei guten Lichtbedingungen (Tagsüber, Bewölkt und auch bei Sonnenauf- und -untergang) wird man keine Nachteile durch das kleinere Format bemerken. Bei Nacht und anderen sehr dunklen Situationen hingegen steigt die Gewichtung des Parameters „Sensorgröße“. Denn man will ISO klein halten, die Blende nicht zu weit öffnen und ab 1/2sec Belichtungszeit ist sowieso „alles verwackelt“ 😉 Hier muss das kleinere Format tatsächlich Federn lassen.
  • Die Auflösung hat ein Verhältnis von 4:3. Das ist etwas unüblich und außerhalb des Mainstreams. Häufig findet man sich in Lightroom beim croppen (zurechtstutzen) des Bildes auf 2:3 oder sogar 16:9 Formate… damit hat man immer mehr Verschnitt und somit „verlorene“ Pixel.

Falls euch weitere negative Punkte und Argumente einfallen schreibt gerne einen Kommentar – habe ich etwas übersehen?

„Aber MFT ist tot“

Kaum ein Jahr vergeht, dass nicht MFT totgesagt wird. Und es ist bis heute noch quicklebendig. Zwar wird Olympus seine Kamerasparte dieses Jahr (2020) schließen und damit dem Format tatsächlich ein Big Player weg brechen. Doch man kann sich sicher sein, dass dem Format noch viele Jahre und Jahrzehnte bevorstehen. Jedes andere herstellergebundene Format bleibt dem gleichen Risiko überlassen. Denn auch Nikon und Canon entwickeln ihre Produkte weiter und auch da zeigt die Geschichte, dass Kontinuität in den Formaten nicht immer gegeben ist.

Warum ich MFT so liebe

Mein Setup: Tasche mit Stativ, Kamera und Objektiven in der Tasche vorn. Ohne MFT gar nicht denkbar.

Diese Lanze musste ich für MFT heute einfach brechen. Denn ich kann es einfach nicht nachvollziehen, warum MFT so unterrepräsentiert ist auf dem Markt. Kaum ein Fototechnik-Reviewer spricht darüber. Immer geht es nur um Sony, Canon, Fuji oder Nikon. MFT eine Randnotiz. Das tut dem Format viel Unrecht. Die häufig emotional besetzte Bewertung einer Kamera ist und bleibt leider keine objektive. Andernfalls müsste man einfach eingestehen, dass rein faktisch wenig gegen MFT spricht.

Die Stärken kurz zusammengefasst:

  • Klein, handlich und leicht. Perfekt für Unterwegs.
  • Technologisch auf Augenhöhe (was Features wie WiFi, Bluetooh, Remote-Access-Apps, IBIS – Bildstabilisierung, usw. angeht) mit Mainstream-Vollformat
  • Praktisch keine Einschränkung im täglichen Gebrauch für Amateure wie mich 🙂

Ohne MFT könnte ich gar nicht diese Hobbies Radreisen und Fotografie so verbinden wie es hier gerade möglich ist. Eine hochwertige Kamera mit zwei Objektiven im Bikepacking Modus dabei haben? Geht. Dank MFT.