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Die sechste Tour der 16-Summits-Challenge führt mich nah an ein ehemaliges Grenzgebiet. Zwischen Ost- und West liegen die höchsten Berge Hessens (Wasserkuppe 950hm) und Thüringen (Großer Beerberg 984hm). Früher noch getrennte Länder – aber trotz langer Wiedervereinigung sieht man schnell Gegensätze. Doch die Natur ist auf beiden Seiten überwältigend, wie immer, denn diese kennt keine Grenzen.

Meinem Ziel die 16 höchsten Punkte aller Bundesländer abzufahren steht nicht mehr viel im Weg. Nun sollen zwei weitere Stempel abgeholt werden. Wie vor jeder guten Tour bin ich aufgeregt was mich diesmal erwartet. Täglich weit über 100km und stundenlange Anstiege, doch jeder Gipfel revanchiert sich. Jeder Tag ist ein neues Abenteuer.

Aufmerksame Leser werden vielleicht feststellen, dass ich einen Beitrag übersprungen habe. Es fehlt noch die Tour zum Wurmberg und Brocken, doch wollte ich vermeiden direkt zwei Mal hintereinander über den Harz zu schreiben. Deshalb die nicht-chronologische Reihenfolge, sei’s drum.

Heimspiel

Habe ich doch meine Schulzeit in Schweinfurt verbracht. Die unterfränkische Stadt liegt fast an der Grenze zur Rhön, dessen höchster Berg die Wasserkuppe ist. Tatsächlich habe ich dort am Kreuzberg das Snowboardfahren gelernt. Doch gerade im Sommer hat die Rhön eine noch umwerfendere Szenerie zu bieten. Eine Landschaft aus unterschiedlichsten Naturschutzgebieten und lange Etappen über Menschen- und Autoleere Gebiete.

Sonnig begrüßt uns der erste Tag als wir die ersten Kilometer durch fränkische Dörfer abfahren. Auf dieser Tour bin ich ausnahmsweise nicht alleine, mein Weggefährte Max aus der alten Heimat schließt sich für eine Tour der Challenge an. Gleichzeitig organisiert er die Übernachtung in der Rhön, wo er wiederum einen Freund hat der Logis bietet. Sorgenfrei geht es über Radwege und Wälder bis die ersten Berge am Horizont auftauchen.

Der Weg von Schweinfurt über Bad Neustadt und dann über direkt an die Rhön angrenzenden Ost- und Nordheim vor der Rhön ist völlig stressfrei. Sorglos fahren wir über die Radwege über bekannte Ecken, immer wieder holen uns Erinnerungen ein. Zum ersten Mal dieser Tour fühle ich mich sogar halbwegs Zuhause, wenn man das so nennen kann.

Mit der entsprechenden Ruhe erreichen wir den ersten Anstieg des Tages. Zwar sind wir mittlerweile auf der Hauptstraße angekommen, doch endet diese an einem Berggasthof. Wo kein Durchgangsverkehr da freuen sich die Radfahrer. Gemächlich ist der Anstieg, keine steile Piste. Desto länger zieht sich dieser dann aber auch, denn die knapp 500m Höhendifferenz müssen irgendwo her kommen. Bei 10km/h kraxeln wir hoch – ich rechne aus, dass wir noch fast 1,5 Stunden bergauf fahren müssen.

Irgendwann verlassen wir die Bundesstraße, als diese am besagten Gasthof endet. Und ziehen über einsam und unwirklich an eine Steppe erinnernde Naturschutzgebiete der Rhön weiter. Erstaunt über die Natur und den Ausblick kurbeln wir weiter meter für meter nach oben. Die leeren Felder werden Wälder und Moore.

Zwischen den Bäumen taucht irgendwann ein Hochmoor auf. Die geschützte Biosphäre Rotes Moor leuchtet in vielen Farben an diesem sonnigen Augusttag. Dominant ist das Lila der wilden Moorblumen, und tatsächlich ist diese ungefähre Benennung nicht mal so verkehrt. Zumindest findet man zu diesem Suchbegriff tatsächlich ziemlich genau diese Blumen. Eine etwas genauere Bestimmung anhand Blumenlexikas deutet auf kleine Braunelle oder viel mehr die Duftnessel Agastache Foeniculum hin. Das leuchtende Moor macht Lust auf mehr, es werden auch immer mehr Besucher. Doch wird die Wasserkuppe so gut wie dieses Naturschutzgebiet? Wir lassen ein nettes Café links liegen um lieber schnell auf den Gipfel zu kommen.

Doch leider wird die nun hohe Erwartung an die Wasserkuppe etwas getrübt. Auf dem Gipfel erwartet uns ein Vergnügungspark mit Achterbahn, Imbissbuden und einem riesigen Parkplatz. Natürlich sind die Segelflieger, für die die Wasserkuppe so bekannt ist, auch direkt um die Ecke. Der Trubel ist nett, weil man eine gute Auswahl an Essen und Trinken hat. Aber die Ruhe im Wald war auch nicht schlecht. Wenn man die Runde um die Kuppe dreht dann kommt man schnell an weniger volle Orte, wo man sich aufs Gras legen kann und den Beinen für ihre Arbeit dankt.

Mit Speed und Wind um die Ohren geht es dann schnell bergab. Weniger schnell auf Trails durch den Wald, die eher was für Wanderer und Mountainbiker sind. Wieder schneller dann auf den asphaltierten Wegen. Wir fahren so um einen Berg herum, dass wir zwar noch einen Pass und Höhenmeter bezwingen müssen. Doch dafür fahren wir keinen Weg zweimal und landen schon bald wieder an unserem Tagesziel: Nordheim vor der Rhön. Voller Neid auf Alle die hier leben lassen wir den Tag ausklingen. Ein Haus mit Garten, Hobbyraum, Gästezimmer, mehreren Badezimmern, usw. kostet hier in etwa so viel wie eine Zweiraumwohnung in Hamburg Mitte. Dabei liegt eines der schönsten Naturschutzgebiete vor der Tür. Aber es hat wohl alles seine Vor- und Nachteile, doch nach so einem Tag mag man vielleicht einige Vorbehalte in die eine oder andere Richtung haben.

Kontraste im Osten

Erstaunlich ist, dass die ehemalige Grenze zur DDR so nah liegt. Obwohl ich in der Gegend aufgewachsen bin, hatte ich diese Tatsache kaum realisiert. Dass ich mit dem Fahrrad an einem Tag nach Thüringen fahren könnte. Diese andere Welt ist mehr als nur ein anderes Bundesland. Wie so oft werden die Eindrücke von besonders markanten Beobachtungen übertüncht. Die Architektur ist ein herausragender Punkt dabei.

In der Rhön fallen mir die Häuser und Dörfer kaum auf, denn diese sind für mich vertraut. Hingegen wenige Kilometer weiter tauchen Häuser mit Schieferhausfasade auf (schon wieder ein kurz gegoogelter neuer Begriff in meinem Wortschatz). Der massive Kontrast kommt dann zu daneben stehenden Plattenbauten.

Die Fahrradwege des zweiten Tages führen erst durch Dörfer und dann durch alt-prominente Städte. Sömmerda ist nämlich die Geburtsstätte der Schwalbe, hier liegen die Simson Werke. In denen einige ikonische Kleinkrafträder der DDR hergestellt wurden. Auch hier treffen verlassene Lagerhallen auf historische Schätze und kurz darauf wieder Platten. An diese Gegensätze gewöhnen wir uns im Laufe des Vormittags schnell. Schon nach knapp 60km sind wir am Ausgangspunkt in Suhl angekommen, jedoch müssen wir nur noch eine kleine Schleife über den Großen Beerberg drehen.

Kleine Pässe und Hügel zwischen der Rhön und dem Thüringer Wald führen zum Nachmittag endlich auf den vor 250 Millionen Jahren aktiven Vulkan. Auch bekannt als Großer Beerberg. Die Steigung von Suhl auf den Gipfel ist nicht ohne. Wieder ist meine Übersetzung von 1:1 einfach nicht ausreichend. Und das obwohl kaum Gepäck das Rad erschwert. Zeitweise geht es so steil hoch, dass man das Rad regelrecht hochstemmen muss. Dumm aus der Wäsche gucke ich, als eine Radfahrerin an mir vorbei den Weg hochstrampelt. Scheinbar ihr üblicher Nachhauseweg. Ohne Worte schiebe ich mein Rad weiter.

Wenige Meter vor dem Ziel wird die Sache aber etwas unübersichtlich. Bei der Planung hatte ich bereits gelesen, dass der höchste Punkt selbst nicht zugänglich ist (weil Naturschutzgebiet). Meine Komoot Route führt auch kurz vor dem Ende plötzlich auf einen verlassenen und zugewucherten Weg. Mit dem Rad ist kein Durchkommen. Wir beraten uns: ist das schon das besagte Naturschutzgebiet, haben wir Schilder übersehen? Fahren wir einfach weiter und trampeln auf dem Weg alles nieder? Etwas niedergeschlagen fahren wir wieder ein Stück bergab an eine Raststation und beraten und verschlingen jeder eine Cliff Bar. Das kann noch nicht alles gewesen sein.

Also starten wir noch Mal mit etwas mehr Kraft nach Oben und umfahren erst Mal den Vorschlag von Komoot. Tatsächlich geht der Weg außen rum noch deutlich weiter, es tauchen sogar Schilder zum Beerberg auf. Ist dieser vielleicht doch zugänglich? Nicht ganz. Bald erreichen wir einen Ausblick, der den höchsten Punkt der Route darstellt, dahinter liegt das Naturschutzgebiet. Glücklich können wir die verdiente Aussicht genießen, bevor wir die hart erkämpften Höhenmeter wieder in Windeseile gegen eine schnelle Abfahrt eintauschen.

Von Suhl ist man in kurzer Zeit mit einem Regio-Express Zuhause. Bei Burger und Alten-Zeiten geht diese unvergessliche Tour zu Ende. Nicht aber ohne einen Besuch an einigen schönen Örtchen von Schweinfurt, zum Beispiel der Peterstirn.