Singlespeed- und Fixie-Bikes sind ein urbaner Trend, der auf den puren Fahrspaß auf zwei Rädern abzielt. Bedeutet alles Komplizierte und den ganzen Ballast abwerfen – aufs Wesentliche reduzieren: Rahmen, Laufräder, Antrieb, Sattel und Lenker. Maximal noch Bremsen. Tollkühne im Starrgang auch ohne. So ein Rad und Fahrgefühl möchte ich in folgender Beitragsserie aufbauen. Und alle zum Nachahmen animieren, denn das Basteln am Rad und die Vorfreude auf das selbstgebaute Rad macht tierisch viel Spaß. Für mich aber mit Bremsen 😉

Besagter Antrieb besteht aus Laufrädern, Kurbel und Tretlager, Kette und Ritzeln. Dabei ist die Übersetzung (ähnlich zur Entfaltung) am Eingang-Rad limitiert. Ein Gang. Das wars. Entsprechend muss dieser beim Losfahren an der Ampel als auch bei Bergab- und wichtiger Bergauf passen. Dass man nicht alle Bereiche perfekt abdecken kann ist kein Fehler sondern ein Feature. Man muss es nur zu schätzen wissen, was auch Teil der Fixie-Bewegung ist.

Teil 1: Falls ihr die Auswahl des Rahmens und noch mehr Theorie verpasst habt, hier der Link zum Einstieg des Projekts.

Singlespeed / Fixie Laufradsatz auswählen

Ein Laufradsatz steht kurz für Felge, Speichen und Nabe. Gemeinsam ergibt das ein Rad, oder eben ein Laufrad. Nimmt man zwei hat man ein Laufradsatz. Beim Singlespeed kann man prinzipiell jeden Laufradsatz zum Singlespeed-Laufrad konvertieren.

Die Einbaubreite (a) ist der Abstand zwischen den Ausfallenden links und rechts am Rahmen bzw. an der Gabel.

Das Vorderrad ist seit Generationen für eine 100mm Einbaubreite konzipiert, egal ob bei Vintage-Stahlrahmen oder beim modernem Carbon-Rennrad. Hier kann man bei der Auswahl nichts falsch machen.

Beim Hinterrad findet man hingegen zwischen 130mm, 135mm und 142mm am häufigsten diese drei Einbaubreiten. Alle modernen Räder haben 142mm. Ältere Stahlrahmen haben häufig 135mm. Nur selten findet man auch eine Einbaubreite von 130mm oder andere.

Bei einem Stahlrahmen kann man sogar +-5mm an Einbaubreite flexibel sein. Denn die Ketten- und Sattelstreben flexen (geben nach) und man kann den Stahl minimal biegen (solange es eine nicht permanente Verformung bleibt). Niemals solltet ihr dies am Alu- oder Carbonrahmen machen – denn da ist kein Spielraum drin.

Achtet also unbedingt auf die Einbaubreite am Hinterrad, dass das Laufrad zu eurem Rahmen passt. In meinem Fall war es ein Rahmen mit 142mm Einbaubreite (ein MTB-Alurahmen aus den 90ern).

Außerdem muss der Freilauf an der Nabe für Singlespeed / Fixie geeignet sein. Das ist aber bei allen modernen Naben mit Freilauf der Fall, falls man ein Singlespeed aufbaut. Bei einem Fixie benötigt man entsprechend eine Nabe die fix mit dem Ritzel verbunden ist. Manchmal findet ihr auch sogenannte Flip-Flop-Naben, die ein Freilaufritzel auf einer Seite und ein fixes Ritzel auf der anderen haben. Das Rad kann man einfach umdrehen und wandelt im Handumdrehen das Rad von Singlespeed auf Fixie um. Und umgekehrt.

Bei Laufrädern am Hinterrad habt ihr also drei Optionen. Beim Singlespeed nimmt man in der Regel ein preiswertes Set für Rennräder und kauft ein passendes Ritzel und Spacer (oder direkt ein Singlespeed-Kit).

Laufrad mit FreilaufDie gängigsten Laufräder am Markt. Klassiker ist der Shimano WH-r501 (Rennrad LRS), der ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis hat. Zum Umbau auf Singlespeed geeignet (dafür wird ein Umbaukit benötigt – siehe weiter unten im Text).
Fixie-LaufradLaufräder mit einem fixen Ritzel an der Nabe findet man in den meisten Onlineshops für diverse Einbaubreiten.
Flip-Flop-Nabe/LaufradSpezielle Laufräder die je auf einer Seite ein fixiertes Ritzel und eines mit Freilauf haben.

Passende Ausfallenden am Hinterrad

Bei der Auswahl des Rahmens für euer Projekt müsst ihr unbedingt auf die Ausfallenden am Rahmen achten. Prinzipiell gibt es drei unterschiedliche Arten (moderne Steckachsen werden hier gezielt nicht genannt, da man solche Rahmen generell sehr selten für Singlespeed/Fixie verwendet):

Ausfallende Typ A findet man an den meisten Räder; Typ B ist ein spezieller Standard bei Bahnrädern und Typ C findet man hufiger an modernen Rädern.

Am besten sind die Typen A und B, da diese etwas Spielraum beim Einbauen des Rads lassen. Hingegen solltet ihr Rahmen mit Typ C Ausfallenden meiden. Dann bleibt euch nichts anderes übrig als mit einem Kettenspanner zu arbeiten oder auf euer Glück zu hoffen, dass die Kettenspannung zufällig passt.

Die Ausfallenden an meinem Singlespeed-Projekt sind eher Typ-C zuzordnen. Wie ich die Kette trotzdem auf Spannung bekommen habe lest ihr weiter unten.

Singlespeed kompatible Kurbeln

Preiswerte Kurbeln passend mit Vierkant-Aufnahme von Shimano.

Prinzipiell eignen sich alle Kurbeln (Kettenblatt+Welle+Kurbel+Pedale) für eine Singlespeed-Conversion. Es ist nicht unbedingt notwendig eine 1xKurbel oder eine spezielle Kurbel für Fixies/Singlespeeds zu kaufen. Obgleich es Vorteile bringt, je nachdem wie perfektionistisch man ist und wie viel Risiko man eingehen möchte.

Besagtes Risiko bei einer umgebauten Kurbel (von 2x- oder 3x-fach auf 1x-fach) besteht nämlich darin, dass die Kette vom Kettenblatt abspringen kann. Passiert dies in der Fahrt (oder schlimmer noch im Wiegetritt) kann das zu einem schmerzhaften Unfall führen. Das wird bei speziellen Kettenblättern durch die Narrow-Wide-Bauweise unterbunden. Wer noch sicherer unterwegs sein möchte kann einen Chainguide (Kettenführung) installieren.

Zur Kompabilität bleibt noch zu sagen, dass ihr natürlich eine Kurbelgarnitur passend zum Tretlager kaufen müsst. In den meisten Fällen haben Vintage-Stahlrahmen ein Vierkant-Tretlager. Ansonsten sind gängige Standards das 24mm-Hollowtech-II von Shimano oder andere von SRAM, FSA, Campagnolo usw. im Umlauf. Einen dedizierten Beitrag zu Tretlagern findet ihr bald hier im Blog, der Beitrag ist schon in Arbeit.

Innenlager oder auch Tretlager am klassischen Rad – die Vierkant-Aufnahme an der Tretlagerwelle passt universell zu allen älteren und modernen Kurbeln, die bis heute noch hergestellt werden.

In meinem Fall habe ich eine Shimano Acera Kurbelgarnitur (FC-M361) bestellt. Dies ist eine günstige vierkant-Kurbel mit 3 Kettenblättern (3x-fach). Davon entferne ich einfach das kleinste und größte Kettenblatt. Mit entsprechenden Distanzringen kann ich dann die Kettenblattschrauben mit nur einem Kettenblatt nutzen.

Kurbeln werden am Rahmen durch das Tretlager (auch Innenlager) verbunden. Moderne Kurbeln sind fest mit der Tretlagerwelle verbunden, bei klassischen Rädern (so auch an meinem) hat man eine Vierkant-Aufnahme. Dabei werden die Kurbeln links und rechts einfach mit einer Schraube fixiert. Die Kurbel wird auf die Welle mit viel Drehmoment aufgezogen. Erst die Demontage kann eine Herausforderung werden, wozu auch ein spezieller Kurbelabzieher benötigt wird. Beim Aufbau hingegen reicht ein einfacher Sechskant-Schlüssel.

Singlespeed Ritzel und Übersetzung

Die Endgeschwindigkeit eures Rads ergibt sich aus eurer Kadenz (Tretgeschwindigkeit), der Größe des Kettenblatts (Anzahl Zähne) und der Größe des Ritzels (Anzahl Zähne). Somit müsst ihr bei der Auswahl aus Kettenblatt und Ritzel ein Gefühl dafür entwickeln, welche Entfaltung oder Übersetzung zu eurem Ziel passt. Der Umfang des Rads ist natürlich auch wichtig, jedoch kann man in der Regel von einem „standard“ Reifen von 28″ ausgehen.

Ritzel sind die kleinen Zahnräder mit 11 bis 46 und mehr Zähnen. Am Fixie findet man am häufigsten welche zwischen 11 und 20.

Wollt ihr ein Rad für hohe Endgeschwindigkeiten (aber dafür jeden Berg hochschieben müssen) oder ein Rad das an der Ampel schnell weg kommt und mit dem Berge kein Problem sind (aber nicht besonders schnell wird auf geraden Strecken oder Bergab). Das müsst ihr entscheiden. Mit der Übersetzung (Anzahl Zähne vorne / Anzahl Zähne hinten) habt ihr ein Verhältnis, welches ihr an einem vergleichbaren Rad testen könnt.

Um ein Gefühl für diese Zahl zu bekommen nehmt ihr ein Rad mit Gangschaltung. Schau an diesem, wie viele Zähne die Ritzel und Kettenblätter haben. Dann könnt ihr diese durchschalten und auf gerader Strecke, am Berg und an der Ampel testen. In der Regel hat man zB. 38 Zähne vorne (relativ kleines Kettenblatt) und ein 16er Ritzel hinten – das ergibt ein Übersetzungsverhältnis von 2,375 (38/16). Für mich persönlich eher „zu langsam“, aber auch hier gilt es für jeden individuell selbst herauszufinden, welches Verhältnis „passt“. Ihr könnt auch beispielsweise ein 50er Kettenblatt von einem Rennrad nehmen, dafür ein 21er Ritzel hinten (damit der Antrieb schön groß wie an einem Rennrad aussieht). Kommt aber auf die gleiche Übersetzung von knapp 2,375.

Die Ritzel und Spacer werden mit einem zum Freilauf passenden Lockring verschlossen. Diese spezielle Schraube muss mit einem Zahnkranzabzieher festgezogen werden. Den Ratgeber zu diesem Spezialwerkzeug findet ihr verlinkt.

Kettenlinie – Kurzausflug

Die Kette verläuft im Ideal immer im gleichen Abstand zum symmetrischen Mittelpunkt des Rahmens.

Läuft die Kette schräg, dann stimmt der Abstand vom Ritzel hinten (am Freilauf/Nabe) nicht überein mit dem Abstand vorne (am Kettenblatt). Dabei muss der ideale Abstand vom Ritzel (zur Mitte der Nabe) und am Kettenblatt vorne (zur Mitte des Innenlagers/Tretlagers) exakt gleich sein. Damit die Kette an jedem Punkt ebenfalls den gleichen Abstand hält und nicht schräg läuft.

Nachteile einer schräg laufenden Kette sind Effizienzverluste und erhöhter Verschleiß. Dem wirkt ihr entgegen indem ihr die Spacer am Freilauf/Nabe entsprechend einstellt. Etwas Spielraum hat man auch häufig an der Kurbel, zB. wenn man das Kettenblatt innen oder außen platzieren kann (ausgehend von einer Kurbel für 2- oder 3-fach Schaltungen).

Mehr zur Kettenlinie findet ihr im Beitrag verlinkt.

Kettenspannung am Singlespeed und Kettenspanner

Nicht immer sitzt die Kette so gut. Durchhängende Ketten sind ein NoGo – da viel zu hohes Risiko. Springt die Kette ab dann verletzt ihr euch schnell.

Habt ihr den Laufradsatz, die Kurbel und Ritzel ausgewählt und eure Wunschübersetzung gefunden? Dann wird es Zeit das ganze einzubauen. Hier stoßen aber die meisten auf eine unbedachte Herausforderung. Der Abstand zwischen Tretlager und Ausfallenden ist am Rahmen fix und für jeden Rahmen unterschiedlich. Passt die Kette nicht zufällig auf wenige Millimeter genau dann wird es jetzt eng. Häufig kann man sich noch durch waagrechte Ausfallenden behelfen, wenn man das Laufrad minimal versetzt einbauen kann (siehe Grafik oben).

Doch was, wenn das eben nicht passt?

Die Option die Kette hängen zu lassen solltet ihr schnell begraben. Denn dann springt die Kette im ungünstigsten Moment ab und ihr verletzt euch.

Alternativen sind spezielle Kettenspanner, die wie eine Schaltung montiert werden und ähnlich aussehen. Ein kleines Zahnrad läuft dann mit und spannt die Kette. Solche Produkte findet ihr am schnellsten Online, denn nicht viele Fahrrad-Fachhändler haben so etwas Spezielles vorrätig.

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Optional könnt ihr auch versuchen durch unterschiedlich große Ritzel und Kettenblätter eine Kombination zu finden, die genau zu eurem Rahmen passt. In meinem Fall war genau das möglich. Zuerst hatte ich ein 34er Kettenblatt mit einem 15er Ritzel probiert. Die Übersetzung von 2,266 wäre zwar (für meine Verhältnisse) niedrig, aber für ein Offroad-Gravel-Singlespeed durchaus geeignet. Jedoch hing die Kette durch. Also habe ich ein 14er Ritzel probiert – und welch Zufall, es passt genau. Mit der Übersetzung bin ich auch noch zufrieden und kann so ohne viel Drumherum mein Projekt fertigstellen.

Das Finale – mein Gravel-Singlespeed-Projekt

Es ist nicht mehr weit. Mit den eingebauten Laufrädern, Reifen und dem kompletten Antrieb ist das Rad schon fast fertig. Im letzten Beitrag werde ich demnächst über die Bremse, Reifenfreiheiten, Lenker und Sattel berichten. Und natürlich Bilder vom fertigen Objekt. Hier schon Mal ein kleiner Teaser.

Die Beiträge recherchieren und schreiben sich nicht von selbst. Obwohl das Rad schon steht und fährt brauche ich leider deutlich mehr Zeit die Texte fertig zu stellen.

Und habt ihr euer Singlespeed-Projekt schon gestartet?

Update: Hier folgt der 3. Teil