Darf es mal mehr sein? Manchmal will man sich ja auch was gönnen – oder hat einfach schon lange diesen Traum, den man sich unbedingt mal erfüllen wollte. Bei mir war es mein zuletzt 2020 aufgebautes Gravel Bike, bei dem ich zum ersten Mal komplett ohne Kompromisse zu machen ein Rad aufbauen wollte. Egal welcher Preis, da sollten die besten Komponenten dran. Klar, am Ende war das Budget auch nicht bodenlos und einige Entscheidungen preislich bedingt für etwas „vernünftiges“ gefallen. Hier zeige ich euch mein Trek Checkpoint Aufbau, vom Carbon Rahmen zur Auswahl der Geometrie, meine Shortlist und alle Komponenten im Detail. Mit kleinem Review nach einem Jahr und knapp 3.000km und ein paar kleinen „Rennen“ (Orbit360).

Wie alles begann

Anfang 2020 hatte ich noch einen Beitrag zur Shortlist geschrieben. Gibt es das perfekte Gravel-Bike? Also ein Rad, welches mein Rennrad und meinen Cyclo-Cross ersetzen wird?

Beides habe ich als gebrauchte Teile bei eBay reingestellt. Das eine ging weg, das andere habe ich noch im Besitz (Update: es wurde aus meinem Kellerabteil gestohlen). Ob mein Trek Checkpoint tatsächlich ein Rennrad ersetzt? Lest ihr unten. Aber hier ein paar Worte zur Motivation.

Mein erstes All-Road-Bike war ein Cyclo-Cross. Damit bin ich mit groben Stollenreifen von Hamburg nach Sylt gefahren, habe die ersten Offroad-Passagen in Hamburger Umland unter die Reifen genommen. Doch irgendwie war ich noch nicht ganz da angekommen, wo ich meinem Gefühl nach hin wollte. Die Reifen zu schmal (33mm) und keine Ösen für Schutzbleche oder Gepäckträger. Gleichzeitig liest man immer wieder von der Wollmilcheierlegenden-Kuh, dem Allroad- oder Gravel-Bike. Es kann all das was mir fehlte und noch viel mehr. Oder?

Vielleicht sollte man da nicht zu hohe Erwartungen haben. Aber die Idee von diesem „perfekten“ Rad, für Straße und Offroad war da. Es kommt aber auf die individuellen Anforderungen an. Was genau ist für mich Offroad?

Als Referenz könnten die Orbit360 Strecken von 2020 her halten. Hier habe ich meinem fertig aufgebautem Allroad-Bike auf den Zahn gefühlt. Der Hamburger Orbit ging damit gut über die Bühne, wenn auch zwei Passagen geschoben wurde im Wald. Weil die Trails dann doch zu anspruchsvoll werden. Die Reifen mit 42mm und leichtem Stollenprofil (Panaracer Gravelking) waren OK. Am Ende fühle ich mich aber auf geschotterten Straßen und Waldwegen am wohlsten, es muss nicht das techn. Terrain aus dem MTB-Portfolio sein.

Kurz gefasst mein Profil, wie ich mir Gravel vorstelle:

  • 25% Straße
  • 50% Waldwege und Schotter
  • 20% Einfache Trails
  • 5% Sandpassagen und MTB-Trails (oder weniger)

Die Orbit360 Strecke Schleswig-Holstein von 2020 war dann etwa genau dieses Profil. Auf insgesamt 280km (an einem Tag) ging es sehr weite Strecken über Asphalt und Waldstraßen. Nur sehr wenige Trails waren dabei, keine besonders techn. Anspruchsvollen. Insgesamt wurde dieser Strecke auch vorgeworfen zu einfach oder gar langweilig zu sein. Gut, auf 280km streckt sich das natürlich etwas, wenn es dann meist doch nicht abwechslungsreich genug ist. Strecke hin oder her – ich hoffe ihr könnt euch das Nutzungsprofil etwa vorstellen. Denn darum geht es letztendlich immer. Das Rad muss zu den eigenen Anforderungen passen.

Mein Checkpoint Setup

So neu und ungebraucht sieht das Rad heute nicht mehr aus – und das is gut so. Ein Rad ist dazu da gefahren zu werden – und die Schrammen, Patina und Kratzer gehören zu seiner Geschichte 🙂

Laut TREK kann das Checkpoint Reifen bis 45mm Breite vertragen. Es hat Ösen um Schutzbleche aufzunehmen, an der Gabel sind diverse Möglichkeiten als auch an den Sattelstreben. Am Oberrohr kann die Oberrohrtasche fixiert und am Unterrohr auf der Unterseite ebenfalls eine dritte Trinkflasche montiert werden. Das ist genau richtig. Ich bleibe flexibel, welche Taschen und Flaschen oder Werkzeugfächer montiert werden.

Die Reifenfreiheit reicht mir völlig aus. Laut Reviews aus diversen Magazinen wird die Geometrie des Checkpoint für ein Gravelbike als sehr sportlich bewertet. Es ist also im Spektrum der Gravelbikes eher bei den Rennrädern anzusiedeln. Für mein Profil, welches eher auch schnelleres Vorankommen einplant (auf Straßen und Waldwegen könnte man 23-25km im Schnitt fahren).

Weitere Details am Rahmen sind:

  • Flat-Mount Disc-Brakes (Scheibenbremsen): 160mm Scheibenbremsen
  • Di2 Ready (im Unterrohr ist Platz für die Batterie und um die Kabel
  • Funktioniert mit 1x und 2x-Schaltung

Alle Specs im Detail:

KomponenteBeschreibung
RahmenTREK CHECKPOINT SL
Rahmen/Gabel Kit – 2020er Model; 58cm RH (ich bin 186cm)
SchaltungShimano GRX – Di2 – RX815
11-40 x 40 Zähne (1-fach)
LaufräderHUNT – 35 Carbon Gravel Disc X-Wide Wheelset
35 DEEP | 30 WIDE EXT | 23 WIDE INT | 1548G
ReifenPanaracer Gravelking (diverse)
Tubeless
SattelBrooks Cambium – C16
Bremsen160mm Disc-Brakes – SH-RT800
Flatmount
Mit allen Komponenten kommt das Rad auf ca 8,5kg

Gravelbike Aufbau

Beim Aufbau habe ich einige Dinge neu lernen müssen. Hydraulische Bremsen kannte ich schon von einem Aufbau, aber dies erweist sich doch immer wieder schwierig wenn man nicht jeden Tag an der Hydraulik arbeitet. Alle anderen Komponenten von Laufrädern, Kabelführungen und Lenker erwiesen sich als sehr leicht. Nicht anders als an anderen Rädern auch. Lediglich das Tretlager möchte ich hier etwas hervorheben, da das nicht ganz alltäglich daher kommt.

Tretlager und Pressfit

Pressfit lagern eilt ein schlechter Ruf hinterher. Die Lagerschalen werden in den Rahmen hineingepresst und werden nicht, wie bei klassischen Rädern bekannt, in eine Gewindeaufnahme an der Tretlagerschale verschraubt (zB. BSA Tretlager). Dieses Vorgehen hat den Ruf, dass es häufiger zu einem unangenehmen Quietschen und sonstigen Geräuschen kommt, die scheinbar vom Tretlager her kommen. Wenn auch diese Diagnose häufig fehl geleitet wird (eher ist der Rahmen ein Klangverstärker und das Gefühl bei jeder Umdrehung der Kurbeln genau das Lager das Geräusch verursacht nur eine Korrelation). Egal wie man diese Wahrnehmung auslegt, viele Nutzer klagen über Pressfit, und manche Hersteller reagieren schon heute darauf. Durch neue Radmodelle, die wieder auf einen verschraubtes Tretlager aufbauen.

Das Trek Checkpoint hat ein Pressfit BB90 Standard. Jedoch gibt es spezielle Lagerschalen, die nicht „nur“ hineingepresst werden. Ein Taiwanesischer Hersteller „Token“ hat sich auf genau diese Nische gestürzt und ein verschraubtes Pressfit-Tretlager entwickelt. Für all die „Nerds“ die Angst vor quietschenden Tretlagern haben.

Die original Idee habe ich aus dem YT-Channel „Rides of Japan“ übernommen: https://www.youtube.com/watch?v=q0XAvr5Qn1k

Das Tretlager wird in der Mitte verschraubt und dadurch drückt es sich in die Lagerschalen. Ganz ohne spezielles Einpresswerkzeug. Jedoch braucht man wiederum eine spezielle Spindel, welche als propreitäres Werkzeug von Token verkauft wird. Auch keine so schöne Lösung, nun wieder einen eigenen Standard und teures Spezielwerkzeug vorzugeben.

Mein Fazit: Ich habe das verschraubte Token Pressfit-Tretlager einfach und ohne Probleme einbauen können. Nach etwas über 3.000km bin ich auch weiterhin sehr zufrieden und es gibt bisher keine nennenswerte Geräuschkulisse aus dem Tretlager.

Abenteuerlich quer durch Deutschland – Langzeitfazit

Wie erwähnt hat das Rad mittlerweile viele Orte in ganz Deutschland gesehen. Egal ob von München nach Nürnberg und weiter durch die Rhön. Auf den Brocken im Harz oder den Hanse-Gravel bis nach Rügen. Mein persönliches Nutzungsprofil sieht so aus, dass das Rad primär auf sehr langen Tagesstrecken gefahren wird (200+km). Es muss also komfortabel sein und ich freue mich, wenn ich nicht auf der Stelle trete sondern trotzdem schnell voran komme. Dahingehend hat mich das Rad nie enttäuscht.

Große Enttäuschungen blieben bisher wirklich aus. Auch habe ich keine wesentliche Komponente gewechselt, nur die Reifen wurden etwa drei Mal durchgetauscht. Alles andere ist wie von Anfang in den Specs genannt. Kleinere Punkte über die ich unglücklich bin gibt es aber doch.

Negatives an meinem Checkpoint Aufbau

Es sind eher die kleinen Dinge die mich aktuell noch stören oder zumindest zeitweilig gestört haben.

Trek Seat Mast Sattelstütze

Was mir initial beim Kauf gar nicht groß aufgefallen war, ist die Konstruktion der Sattelstütze am Checkpoint. Das Sattelrohr am Rahmen ragt weit nach oben aus dem Rahmendreieck heraus. Statt einer Sattelstütze in diesem Sattelrohr kommt ein Seat-Mast zum Einsatz. Dieser wird auf das verlängerte Sattelrohr aufgesetzt. Was nun im ersten Moment gehüpft wie gesprungen nur einen kleinen Unterschied auf dem Papier ausmacht.

Meine Erfahrung ist jedoch eher negativ mit dieser Konstruktion. Problem Nummer eins ist, dass der Seat-Mast von Trek als auch das Sattelrohr aus Karbon ist und selbst mit Karbonpaste der Seat-Mast nach und nach weiter nach unten absinkt, ich sitze häufig nach ein paar Monaten 1-2cm tiefer als geplant. Da beide Komponenten aus Carbon gefertigt sind ist schwierig zu sagen, was genau der Fehler hier ist. Mein Gefühl ist aber, dass eine klassische Konstruktion zuverlässiger funktioniert (auch und gerade bei Carbon-Sattelstütze und klassischem Sattelrohr).

Eventuell kann ein Seat-Mast von anderen Herstellern die Lösung sein, noch ist mein Schmerz mit dieser Komponente nicht groß genug um einzugreifen. Aber glücklich bin ich über den Aufbau nicht.

Geometrie und Langstreckenfahrten

Primär war ich am Anfang auf der Suche nach einem etwas sportlicheren Gravel-Bike. Es sollte sogar einem Endurance-Road-Bike nahe kommen (einem auf Langdistanz ausgelegten Rennrad). Die Geometrie und Reviews zum Trek Checkpoint unterstützten diese These.

Unzufrieden bin ich über die Langstreckentauglichkeit wirklich nicht. Ich habe keine Schmerzen nach einem langen Tag im Sattel. Das Rad ist gut gefedert, sowohl über die Reifen als auch über die Flex-Elemente im Rahmen (am Sattelrohr sind Elastomere eingebunden, welche weniger Vibrationen von der Straße auf den Sattel übertragen). Umgekehrt bin ich aber über die Sportlichkeit nicht ganz zufrieden.

Ich würde mir sogar wünschen, dass mein Trek eine etwas weniger aufrechte Position unterstützen würde. Insgesamt fällt das Rad meiner Meinung doch relativ stark in eine aufrechte MTB-Sitzposition.

Fazit – Existiert das All-Road-Bike?

Nein, noch habe ich das Rad, welches alle Disziplinen sehr gut bedienen kann, nicht gefunden. Insgesamt ist auch das Trek Checkpoint mit seiner Geometrie eher ein Gravel- und Tourenrad. Auch mit schmaleren Reifen würde es nicht als Rennrad durchgehen. Erst recht nicht mit meiner 1-fach Schaltung mit 11 Gängen, die auf eine hohe Untersetzung ausgelegt sind um auch am Berg mit Gepäck voran zu kommen.

Noch habe ich aber den Traum nicht aufgegeben. Aktuell habe ich drei relativ ähnliche Räder im Gebrauch: High-End Road-Bike (ein auf Aerodynamik und Leichtbau fixiertes High-End Rennrad), ein Allwetter-Rennrad (das weniger sportlich, aerodynamisch und schwerer daherkommt) und mein Gravel-Bike. Vielleicht finde ich ja irgendwann den perfekten Rahmen, der das Gravel-Bike und Allwetter-Rennrad ersetzt.

Habt ihr Tipps für solch ein Rad? Am besten wieder als Frame-Set für einen kompletten Aufbau!